Situation verstehen
Neue Sichtweisen
erweitern
die Ansicht
Der Einzelhandel steckt in einem noch nie dagewesenen Transformationsprozess. Erstaunlich ist, wie das Interesse an uns Kunden nur von wenigen Marktteilnehmern entwickelt wird. Würde sich ein Schachspieler nicht fürs Gegenüber und dessen Denken interessieren, müsste er mit dem Spiel gar nicht erst beginnen. Anstatt sich mit der Situation am Touch Point systematisch auseinanderzusetzen, macht der Detailhandel mehr vom selben wie Sonderverkäufe und baut Personal ab.
Es geht auch anders, wenn die Wirkungstreiber der aktuellen Ergebnisse eruiert worden sind.
Im Rahmen eines Entwicklungsprogramms für Autohändler besuchte ich einen grösseren Betrieb mit finanziellen Problemen. Der Neuwagenverkauf lief trotz des Marktpotentials nicht gut. Es stellte sich heraus, dass die Teamleiter als beste Verkäufer dieselben Budgets zu erfüllen hatten wie alle anderen. Ausserdem war das Bonussystem auf die realisierte Marge je Vertrag ausgerichtet, nicht auf das Volumen. Es fehlte ein Antrieb, die Situation des Kunden in dessen Kaufprozess kennenzulernen und diese Potentiale auszuschöpfen. Warten auf den Interessenten war angesagt.
Gehirn als Bremse
Als Aussenstehender würde man sagen: «Klar, da muss man ändern!» Als Direktbetroffener unterliegt man allerdings den eigenen Einstellungen, Gewohnheiten und den Automatismen des Gehirns. Erreichen uns unangenehme Neuigkeiten, entwickeln sich im Unterbewussten schlechte Gefühle, die eine klare Denkweise behindern.
Wir schämen uns oft, wenn Fakten, die wir selbst hätten feststellen sollen, aus einem anderem Munde kommen. Hilfreiche Wahrnehmungen blenden wir durch Routinen im beruflichen Alltag aus und richten unsere Augen auf eigene Prioritäten.
Dies macht uns betriebsblind. Ausserdem ist unser schneller Denkprozess von Emotionen – gute oder schlechte – überlagert und beeinflusst das Verständnis fürs Warum für Veränderungen massgeblich.
Veränderung der Sichtweisen
Dass die ganze Direktion des Autohändlers ihre Sichtweisen änderte und zu einer einheitlichen Gesamtansicht kam, war zwei veränderungswilligen Mitgliedern als Promotoren, der Entdeckung der Grundmotivationen der Besitzer und dem achtsamen Vorgehen zu verdanken. Obwohl der Wandel drängte, liess man sich Zeit und setzte wie im Schach auf den langsamen, logischen Denkprozess. Dies erlaubte, verschiedene Sichtweisen einzunehmen, die Wirkungszusammenhänge besser zu verstehen und den Willen zum Wandel zu entwickeln. Vor den Sommerferien war sich die Geschäftsleitung über den Sinn einer Veränderung einig, und im August entschied sich das Gremium einstimmig für ein wirksames Führungssystem und eine auf Volumen und Rendite ausgerichtete Bezahlung der Verkäufer. Eine Veränderung, die zuvor von den zustimmenden Direktionsmitgliedern nicht für möglich gehalten worden war und heute Früchte trägt.